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Crow Baby veröffentlichen eingängiges Debütalbum “Get Yourself Together“ und werfen einen liebevoll bissigen Blick auf den emotionalen Alltag

    In den letzten Jahren hat das Art-Pop-Duo Crow Baby eine Reihe von Singles und eine EP veröffentlicht, nun folgte am 29. August 2025 das fulminante Debütalbum Get Yourself Together via popup-records.

    Das in Berlin ansässige Duo ist das neue Projekt von Jean-Louise Parker und Cherilyn MacNeil – beide sind Songwriterinnen sowie Multiinstrumentalistinnen mit eigenen Projekten und beide in Johannesburg (Südafrika) geboren und aufgewachsen. Abgesehen von diesen Ähnlichkeiten sind die Lebenswege, die die beiden Musikerinnen letztendlich zusammenbrachten und zur Geburt ihres musikalischen, zweiköpfigen Monsters führten, allerdings sehr unterschiedlich und keineswegs linear.

    Die beiden Musikerinnen lernten sich Anfang der 2010er Jahre auf der Tour für Dear Reader kennen, doch ihre Wege trennten sich, als Cheri nach Berlin zog. Fast ein Jahrzehnt später kamen sie wieder zusammen, als Jean-Louise ebenfalls in die deutsche Hauptstadt zog. Erfreut über die Chance, wieder zusammen arbeiten zu können, begannen sie sich zu treffen, um die Covid-Einschränkungen kreativ zu überbrücken. Damals ging es ausdrücklich nicht darum, eine Band zu gründen oder eine Platte aufzunehmen, sondern darum, die Regeln für ein neues Spiel zu erfinden. Die erste Regel: Klavier und Bratsche nicht erlaubt; beide wollten Instrumente verwenden, die sie bisher weniger gespielt hatten. Von da an begann ein Hin und Her zwischen Schlagzeug, Bass, Elektronik und Gesang, bei dem sich beide ermutigten ihre gewagtesten und albernsten Seiten zu zeigen.

    Get Yourself Together ist ein schonungslos ehrlicher Blick nach innen. Ein Album über emotionale Überforderung, Leistungsdruck, Selbstzweifel und das andauernde Bemühen, irgendwie zu funktionieren. Zwischen zynischem Humor und zarter Melancholie erzählt es vom täglichen Balanceakt zwischen Zusammenbruch und Selbstbeherrschung. Trotz dessen klingt es überraschend leichtfüßig: schelmischer, fröhlicher Sound trifft auf herrlich schräge Texte; wie eine Cheerleaderin mit einer gemeinen Ader. Die Stimmen von der beiden verschmelzen dabei zu etwas ganz Eigenem: Cheri hell und perkussiv, Jean-Louise warm und rund. Gemeinsam schaffen sie so eine Klangfarbe, die perfekt zu Crow Baby passt und sich klar von ihren Soloprojekten abhebt. Inspiriert von Acts wie Deerhoof und Cate Le Bon bewegt sich das Duo in einem ständigen Spannungsfeld zwischen widersprüchlichen Alltagsrealitäten – mal absurd, mal tieftraurig, mal einfach wunderschön.

    Der Song „All Better“ eröffnet das Album und setzt direkt den emotionalen Ton: Zerbrechlichkeit, Selbsttäuschung und das ständige Bemühen, sich selbst zu regulieren. Die Phrase „All better“ klingt wie ein Mantra, das weniger überzeugt als beschwichtigt. Als würde man sich selbst oder jemand anderem einreden wollen, dass alles in Ordnung sei, obwohl es das offensichtlich nicht ist. Mal sanft und einfühlsam gesungen, ein andermal wie ein kraftvoller, verzweifelter Schrei. Der verzerrte Sound mit stellenweise wilden Drums und Offbeat-Elementen verdeutlicht diese innere emotionale Unruhe. Ein gut durchdachtes Chaos, welches perfekt die Message des Songs unterstreicht!

    Run!„, der vierte Track des Albums, ist einer der temperamentvollsten Songs. Fast schon Riot Grrrl-mäßig und vor allem mutig, legt er die Energie eines alltäglichen, inneren Kampfes frei. Gegen Erwartungen, gegen Erschöpfung und gegen sich selbst: „I’ve got too much that I’m still fighting for / Pick up my feet when I can’t go no more“. Die Musik klingt dabei zunächst verspielt und energiegeladen, aber darunter liegt eine tiefe Erschöpfung – mit einem eindringlichen Sprechgesang bricht plötzlich alles hervor, was sonst unter der Oberfläche brodelt: Selbsthass, Überforderung, das Gefühl, nicht gut genug zu sein.

    Der Titel des sechsten Tracks „Robot Gunshot“ klingt zwar nach Science-Fiction, doch in Wahrheit steckt dahinter ein schonungsloser Kommentar über die emotionale Erschöpfung des ständigen Sich-Anpassens, des Schauspielerns im Alltag und der Absurdität sozialer Erwartungen. Der Song bringt das Gefühl auf den Punkt, ständig funktionieren und dabei noch gut gelaunt wirken zu müssen, obwohl innerlich längst die Zähne knirschen. Zeilen wie „The gestures are big / The smiles are so wide / But we’re grinding our teeth on the inside“ entlarven diese Fassade mit bitterem Humor. Das wiederkehrende „Robot gunshot doo doo doo“ wirkt dabei fast kindlich, fast albern und unterstreicht so nur noch mehr die Absurdität. Es ist ein Song über soziale Überforderung, falsche Höflichkeit und das stille Bedürfnis, einfach seine Sachen zu packen und zu gehen.

    Get Yourself Together ist kein Album, das einem Antworten liefert, aber es stellt genau die richtigen Fragen. Es fängt die Widersprüche des Alltags ein: Wie es ist, gleichzeitig wütend und müde zu sein, überfordert und trotzdem funktionierend, traurig und dabei laut lachend. Mit seiner Mischung aus schrägem Art-Pop mit cleveren Texten, Egg Punk-Einflüssen und rohen Emotionen schafft es eine Verbindung, die unmittelbar und nicht belehrend wirkt. Wer sich manchmal seltsam fühlt in dieser Welt, findet hier kein Heilmittel, aber vielleicht Zuflucht.

    Die Veröffentlichung ihres Debütalbums feiern Crow Baby mit einer Tour durch Europa, bei der sie in Deutschland, Belgien und Österreich unterwegs sind und ihre ausgelassenen Shows auf verschiedenste Bühnen bringen.

    Foto: Robert Paul Kothe