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Wenn Freundschaft, Liebe und Realität kollidieren – Marissa Burwells neues Album „Before The Hour’s Up“

    +++ Deutschland-Tour im September +++

    Before The Hour’s Up ist ein intimes und vielschichtiges Album, das sich mit den Höhen und Tiefen von Beziehungen, Identität und Selbstfindung auseinandersetzt. Marissa Burwell verbindet gekonnt persönliche Erfahrungen mit poetischen Bildern und emotionaler Ehrlichkeit. Erschienen ist das Album am 29. August via DevilDuck Records.

    Die neun Songs bewegen sich zwischen sanfter Nostalgie, innerem Konflikt und der Sehnsucht nach Klarheit. In diesem Rahmen erzählt das Album Geschichten von zerbrechenden Beziehungen in „Inside Out“ und „Say It Again“, der Distanz und dem Wunsch nach Nähe in „Tell Me When It Rains„, bis hin zu Momenten des Trosts und der Selbsterkenntnis bei „Before the Hour’s Up„. Es gibt Lieder, die die Freude an Freundschaft und gemeinsamen Erinnerungen feiern, wie „Minneapolis„, aber auch Stücke, die Verlust, Wut und Loslassen thematisieren, wie „Everything“ und „Poplar Tree„.

    Musikalisch verwebt Marissa Burwell auf Before The Hour’s Up introspektive Singer-Songwriter-Elemente mit atmosphärischen Arrangements, die Raum für Verletzlichkeit und Hoffnung lassen. Das Album ist wie ein offenes Tagebuch – ehrlich, verletzlich und doch voller Kraft.

    Das Album beginnt mit einer ehrlichen Auseinandersetzung über das Ende einer Beziehung und den Versuch, Freunde zu bleiben. „Inside Out“ beleuchtet die Frage, ob das überhaupt möglich ist. Es geht um die Ambivalenz zwischen dem Wissen, dass es viele Gründe gibt, zu gehen, und den wenigen, aber starken Gründen, zu bleiben. Der Song fängt die Unsicherheit ein, wie man sich verhält, wenn man weiterzieht: Teilt man es mit oder lässt man die andere Person über Dritte davon erfahren? Nostalgie, Verlust und die Komplexität von menschlichen Bindungen prägen diesen Auftakt.

    Mit „Minneapolis“ schlägt das Album eine leichtere, freudigere Note an. Der Song ist inspiriert von einem besonderen Wochenende, an dem Marissa mit Freund:innen in Minneapolis unvergessliche Momente erlebte – Konzerte, Freundschaftsarmbänder, bunte Haare und die einfache Freude, wieder gemeinsam Zeit zu verbringen. Dieses Lied feiert die Wärme von Freundschaft und die Bedeutung von geteilten Erlebnissen. Es sei so besonders gewesen, endlich wieder richtig zusammen zu sein, erzählt sie: „That weekend stuck out to me so prominently going forward and I tried to write about it for a while but it wasn’t coming together like I wanted it to“.

    Gemeinsam mit der Musikerin Cassie Dasilva brachte sie den Text schließlich zu Papier. Nachdem die erste Aufnahme 2023 zunächst beiseitegelegt wurde, fand der Song 2025 durch Produzent Chris Dimas seinen Weg zurück ins Studio. Mit neuem Sound und frischer Produktion wurde „Minneapolis“ schließlich als Teil des kommenden Albums fertiggestellt – ein Track, der sich zwar vom Rest des Albums abhebt, für Marissa Burwell aber genau deswegen einen besonderen Platz einnimmt. Eine perfekte Balance zwischen freudigem und zugleich leicht melancholisch-nostalgischem Erinnern. Der Song zeigt, wie bedeutungsvoll platonische Beziehungen sein können, dass sie oft ebenso tief und prägend sind wie romantische und dass Freundschaft nicht weniger schmerzt beim Abschied, obwohl sie in der Popkultur oft weniger Raum bekommt. Unterstützt wird diese Atmosphäre von ruhigen Gitarrenklängen und sanften Synth-Sounds. Marissa Burwell erzählt mit ihrer einfühlsamen Stimme ihre Geschichte und wird dabei im Refrain von harmonischen Backgroundvocals und verzerrten E-Gitarren begleitet.

    Foto: Sarah Bulm

    In „Say It Again“ geht es um die Stille zwischen zwei Menschen, die sich einst nahestanden. Der Song beschreibt die ermüdenden, wiederkehrenden Gespräche, die keine Lösungen bringen, und die Angst, dass Liebe zur Routine wird. Hier zeigt sich besonders Burwels Fähigkeit, Zerrissenheit einzufangen: der Wunsch, festzuhalten, und die gleichzeitige Sehnsucht nach Veränderung. Trotz der Melancholie im Text schimmert Hoffnung durch – der Glaube daran, dass ein Weg gefunden werden kann. „While the song ca be seen as a desperate cry, I think it’s important to hear the hope in the chorus. The dedication to find a way for those in the relationship — to find that understanding that what they want above all else is more than an end, it is to be together”, erzählt die kanadische Künstlerin über die Message von „Say It Again„.

    Im hoffnungsvollen Chorus heißt es dann: „Find a way to rephrase what I am trying to say / I’ve said it before, I’ll say it again, I’ll say it again / I’m wanting more, more than an end / I’m wanting more, I’m wanting more”. Am Ende bleibt es den Hörer:innen also ein Stück weit selbst überlassen, in welcher Stimmung sie „Say It Again“ verlassen.

    Tell Me When It Rains“ thematisiert neben emotionaler Distanz auch eine physische Trennung. Es ist das Bild einer Liebe, die sich über Städte hinweg spannt, und das Gefühl, sich selbst dabei fremd zu werden. Die Zeile „A callus on my heart / I try not to be mean / I used to be so soft / now the thing won’t even bleed“ bringt den inneren Wandel auf den Punkt: Schutzmechanismen, die zugleich schmerzen. Ein Song über Isolation, Selbstentfremdung und den Versuch, trotz allem weich zu bleiben.

    Mit „Tight Grip“ wirft Burwell einen selbstkritischen Blick auf das Musiker:innen-Dasein. Es ist das Pendeln zwischen dem Traum von Erfolg und dem Wunsch nach Stabilität, zwischen Selbstverwirklichung und Selbstzweifeln. Ein Stück, das die Zerrissenheit eines Lebens im Rampenlicht, aber auch die ungebrochene Liebe zur Musik widerspiegelt.

    Die Songs „Reality“ und „Everything“ erzählen zwei Seiten derselben Geschichte – wie man mit Schmerz umgeht und wann der Punkt kommt, nicht mehr zu schweigen. „Reality“ beschreibt dieses Schweben zwischen Reden und Schweigen, den Wunsch, alles rauszulassen, und gleichzeitig die Angst, was danach passiert. Es fühlt sich an wie ein stiller innerer Kampf in einer Welt, die für alle anderen einfach weiterläuft. „Everything“ geht einen Schritt weiter: Aus dieser Stille wird Wut. Hier geht es um Grenzüberschreitungen und die Konsequenzen allein tragen zu müssen. Der Song ist kein leises Nachdenken mehr, sondern ein klares Statement: Es reicht. Besonders die Bridge zeigt diesen Wendepunkt – von der Schwere der Verletzung hin zur Vorstellung, Gerechtigkeit einzufordern. Wo „Reality“ noch zögert, zieht „Everything“ eine Grenze. Zusammen zeigen die beiden Songs, wie aus Zurückhaltung schließlich Selbstbehauptung wird.

    In „Popular Tree“ geht es dann um eine besondere Art des Verlustes – den Abschied von jemandem, der nie wirklich einem gehört hat. „Popular Tree“ erzählt von Verbindungen, die mehr Idee als Realität sind, aber dennoch schwer loszulassen. Ein Song, der die bittersüße Mischung aus Illusion und Sehnsucht einfängt.

    Abschließend ist der Titelsong „Before The Hour’s Up“ eine fragile, intime Reflexion, die nach Orientierung sucht. Entstanden nach einer Therapiesitzung, bringt er den Wunsch nach einfachen Antworten auf komplexe Fragen auf den Punkt: „Please answer all my big, existential questions! Tell me I’m going to be okay, or better yet, happy. Bonus points if you can deliver all these before the hour’s up!“. So endet das Album mit einem Lied über Hilflosigkeit, Hoffnung und die Sehnsucht nach Halt in einer unsicheren Welt.

    Marissa Burwell, geboren und aufgewachsen in Regina, Saskatchewan (Kanada), vereint warme Vocals mit ehrlichen Texten und einem Sound zwischen Folk und Indie-Rock. Seit ihrer Debüt-EP 2019 hat sich die Künstlerin als fester Bestandteil der kanadischen Musikszene etabliert und war bereits auf internationalen Festivals wie dem Reeperbahn Festival, Sound City Liverpool, NXNE und Pop Montreal zu erleben. Ihr Debütalbum Bittersweet (2022) und die EP Either Way (2023) zeugen von ihrer Entwicklung zu einer vielseitigen und einfühlsamen Songwriterin.

    Before The Hour’s Up ist ein Album voller Kontraste – verletzlich und stark, nostalgisch und nach vorne blickend, leise und laut. Es erzählt von der Suche nach sich selbst inmitten von Liebe, Freundschaft und gesellschaftlichem Druck. Jeder Track öffnet ein neues Fenster in Burwells Gedankenwelt und macht das Album zu einer intensiven, emotionalen Reise.

    Foto: Sarah Bulm