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Amber & the Moon in ihrem zweiten Album Are We Alright über das, was uns trennt und das, was uns verbindet

    Mit ihrem zweiten Album Are We Alright (VÖ: 10.10.2025 via popup-records) kehren Amber & the Moon zurück und legen eine Platte vor, die gleichermaßen intim und weit, zerbrechlich und kraftvoll wirkt. Nach ihrem gefeierten Debüt Things We’ve Got In Common (2023), das von Kritiker:innen hoch gelobt und unter anderem bei WDR 3 zum „Album der Woche“ gekürt wurde, öffnet die Band ein neues Kapitel: persönlicher, komplexer und erzählerisch noch dichter.

    Die Hamburger Indie-Folk-Band rund um Sängerin und Songwriterin Ronja Pöhlmann und Gitarrist/Sänger Jonathan Riedel hat in den letzten Jahren eine unverwechselbare Sprache gefunden – getragen von eindringlicher Zweistimmigkeit, feinen Arrangements und einem Gespür für Atmosphäre, welche irgendwo zwischen Folk, Americana und moderner Indie-Melancholie schwebt. Gemeinsam mit Produzent und Bassist Ben Schadow und Drummer Torben Sdunek erschaffen sie Klangräume, die von reduzierter Intimität bis zu orchestraler Weite reichen.

    Der Titel Are We Alright ist mehr als eine beiläufige Frage. Er zieht sich wie ein roter Faden durch die zehn Songs des Albums: eine leise, tastende Auseinandersetzung mit Veränderung, Erinnerungen, dem Älterwerden und der Fragilität menschlicher Beziehungen. Amber & the Moon erzählen nicht in großen Gesten, sondern in Zwischentönen. Sie beobachten, halten fest, lassen los und finden schließlich Schönheit im Ungewissen.

    Mit der Single „All Is Well“ (VÖ: 25.04.2025) kündigten Amber & the Moon ihr zweites Album an. Der Song wirkt wie ein musikalischer Rückzugsort vor dem Lärm der Welt. Mit warmen Akustikgitarren und wohl dosierten Klangfarben von Cello bis Horn entfalten die Musiker:innen eine schwebende Leichtigkeit, die emotional berührt. Die Klarheit der Gitarren bildet dabei einen Gegenpol zum fernwehgetränkten Harmoniegesang von Ronja Pöhlmann und Jonathan Riedel. Begleitet von einem hypnotisch-pulsierenden Rhythmus entsteht ein Sound, der an Acts wie Kings of Convenience, The Staves oder Angus & Julia Stone erinnert – Musik, die sanft umhüllt und lange nachhallt. Thematisch kreist der Song um die leisen Momente des Abschieds und die Akzeptanz von Vergänglichkeit. „‘All Is Well‘ reflektiert meine Auseinandersetzung mit der Unbeständigkeit des Lebens. Es geht um die leisen Abschiede, die uns unerwartet erreichen – und darum, in diesen Momenten den Mut zu finden, das Unbekannte zu umarmen“, erklärt Sängerin Ronja Pöhlmann. Das dazugehörige Lyric-Video entstand an jenem Ort, der auch die Entstehung des Songs prägte: einem Tiny House mitten in der Natur, in das sich die Band gemeinsam mit Produzent Ben Schadow zurückzog. Umgeben von Stille und Weite wurden die ersten Akustikgitarren-Aufnahmen festgehalten – eine Intimität, die das Video spürbar einfängt.

    Mit „Cavale“ (VÖ: 28.05.2025) präsentierten Amber & the Moon einen weiteren Einblick in ihr neues Album. Inspiriert von Patti Smiths Autobiographie schlüpft Pöhlmann in die Perspektive der Autorin und Künstlerin und erzählt von einer Verbindung im Wandel – von einem Ende, das Platz für eine neue Form der Nähe schafft. Der Titel „Cavale“ – französisch für Flucht oder Befreiung, im Buch einst an Smith gerichtet – symbolisiert geteilte Räume und das leise Schweigen, das entsteht, wenn sich zwei Menschen trotz aller Verletzlichkeit nicht voneinander lösen, sondern in einer neuen Form zueinander finden: „Beim Lesen von ‚Just Kids‘ hat mich die Beziehung zwischen Patti Smith und Robert Mapplethorpe tief bewegt. ‚Cavale‚ ist für mich der Versuch, Festhalten und Loslassen gleichzeitig zu begreifen – als zwei Seiten derselben Liebe. Es geht um Nähe, selbst im Auseinandergehen“, so Pöhlmann über Smiths Einfluss. Musikalisch öffnet sich „Cavale“ einer Klangszenerie, die an Folk, Americana und staubige Western-Nostalgie erinnert. Lapsteel-Gitarren und ein fast vergessener Streichersatz rufen die Atmosphäre alter Soundtracks hervor, während Ronja und Jonathan sich stimmlich wie zwei Blickwinkel auf dieselbe Erinnerung begegnen. Das Stück changiert zwischen Rückblenden und Loslösung, zwischen Erinnerungsfragmenten und Momentaufnahmen. Zeilen wie „Maybe those dreams of yours were just yours and not mine“ hallen nach, als wären sie in den Wänden eines verlassenen Raums eingefangen.

    Kurz vor Album-Release veröffentlichte die Band die Single „Summertime Silence“ (VÖ: 05.09.2025). Ein Song über das fragile Weiterleben einer Freundschaft, deren Intimität sich verändert hat. Die zentrale Frage „Will you ever call my name even if there’s no one else to call?“ klingt wie ein Echo aus einer anderen Zeit, das unaufdringlich im Raum stehen bleibt.
    Musikalisch orientiert sich „Summertime Silence“ eng an den Lyrics: unerwartete Taktwechsel unterstreichen die Zerrissenheit des beschriebenen Moments, während Akustik- und E-Gitarren ineinandergreifen wie flüchtige Gedanken. Ein federnder Groove trägt den Song, der sich in kleinen Überraschungen entfaltet – leichtfüßig wie ein Spätsommertag, dessen Licht Gegenwart und Erinnerung ineinander übergehen lässt. Die Stimmen verweben sich mühelos, nicht als klassisches Duett, sondern wie zwei innere Monologe, die sich gegenseitig Raum geben. Es ist dieser Spagat zwischen Klarheit und Unschärfe, zwischen Nähe und Loslassen, der “Summertime Silenceso besonders macht. Wie ein vergilbtes Polaroid, das man immer wieder in die Hand nimmt, weil es einem mehr erzählt, als man je ganz erinnern kann. „Der Ursprung von Summertime Silence liegt in einer tiefen Freundschaft“, erzählt Sängerin und Songwriterin Ronja Pöhlmann. „Es geht um die stille Dringlichkeit, jemanden nicht verlieren zu wollen – und gleichzeitig um die Frage, ob Nähe noch möglich ist, wenn sich manche Dinge grundlegend verändert haben.”

    How It Feels“ eröffnet das neue Album, ein tiefgründiger Song, der sich mit dem Gefühl von räumlicher Distanz und emotionaler Nähe auseinandersetzt. Ronja beschreibt den Zustand, nur aus der Ferne für die eigene Familie da sein zu können und die stille Hoffnung, dass es ihnen trotz aller Entfernung gut geht. Das Arrangement spiegelt diese Ambivalenz wider: Der zweistimmige Gesang von Ronja und Jonathan webt sich in tröstenden Harmonien, während Americana-Elemente und südamerikanischer Folk für eine dichte Atmosphäre sorgen. Ein Streichquartett erschafft eine beklemmende Weite, die von Gitarren– und Pianowolken durchzogen wird. Gleichzeitig erden fundamentale Handpercussion und Akustikgitarren den Song.

    Amber & the Moon haben sich seit ihrem Debüt hörbar weiterentwickelt. Während Things We’ve Got In Common noch stärker von introspektiver Intimität geprägt war, wagt Are We Alright eine größere Weite, ohne die Zerbrechlichkeit zu verlieren. Es ist ein Album voller Spannung zwischen Nähe und Distanz, zwischen Klarheit und Unschärfe. Es wirkt in seiner Gesamtheit wie eine fragile Reise durch das Innenleben wirkt. Die zehn Songs sind nicht bloß einzelne Geschichten, sondern wirken zusammen wie eine Collage aus Erinnerungen, Fragen und Sehnsüchten. Zwischen den Themen von Nähe und Distanz, Vergänglichkeit und Hoffnung, von Freundschaft, Abschied und leiser Wiederannäherung entsteht ein atmosphärischer Erzählbogen, der tief berührt.

    Musikalisch spannt das Album den Bogen von reduzierten Akustikgitarren und intimen Duetten bis hin zu weiten Arrangements mit Streichquartett, Lapsteel und subtilen elektronischen Texturen. Jeder Song wirkt wie ein eigener kleiner Kosmos, doch gemeinsam fügen sie sich zu einem Klangbild, das in seiner Melancholie Wärme findet und in seiner Zerbrechlichkeit Stärke.

    Are We Alright ist nicht laut, nicht fordernd und gerade darin liegt seine Kraft. Es ist ein Album, das zuhört, das Räume eröffnet und Fragen stehen lässt, ohne sie endgültig beantworten zu wollen. Eine Platte, die in ihrer stillen Intensität lange nachklingt und Amber & the Moon als eine der spannendsten Stimmen im Indie-Folk festigt.

    Das Album Are We Alright von Amber & the Moon erscheint am 10. Oktober 2025 via popup-records.

    Foto: Christian Bendel