Der preisgekrönte, in Sofia geborene und in Berlin lebende Singer-Songwriter Bulgarian Cartrader trägt den Blues und Soul im Herzen. Wie ein Bruce Springsteen der Gegenwart durchzieht seine Musik erzählerische Lyrik, gesungen mit dem Herz eines Poeten, und versehen mit einem rhythmischen, osteuropäischen Twist. Es ist eine Art byzantinischer Gospel, interpretiert im modernen RnB- und Indie-Stil – irgendwo zwischen Eastern-Americana, Balkan-Rock und westlichem Pop – ein Stil, der bereits mit Preisen und Charterfolgen ausgezeichnet wurde. Diesem Sound bleibt er in seinem am 10.10.2025 erschienenen Album Greetings from Soulgaria treu und zeigt die Vielseitigkeit und Tiefgründigkeit seiner Texte.
Bulgarian Cartrader ist das Künstlerpseudonym des Sängers und Produzenten Daniel Stoyanov. Schon als Kind zog Stoyanov mit seiner Familie nach Deutschland, doch jeden Sommer kehrte er nach Bulgarien zurück – auf der Suche nach tieferer kultureller Verbindung. Als er schließlich musikalisch aktiv wurde, spielte er in Soul- und RnB-Clubs in Mannheim, wo ihn ein GI als „blueeyed soul brother from Soulgaria“ bezeichnete. Dieser Ausdruck wurde schließlich zum Titel seines neuen Albums: Greetings from Soulgaria – eine Wortspiel-Anlehnung an Springsteens Debüt Greetings from Asbury Park, N.J..
Stoyanov startete sein Abenteuer als Bulgarian Cartrader 2021, nach Stationen als Salsa-Tänzer, Studiovokalist und Live-Backgroundsänger. Seine Debütsingle „No Other Drug“ verkörperte sofort seinen Stil: erzählerischer Indie-Pop mit melodiösem RnB, rhythmischem Fundament – und vor allem: emotionaler Persönlichkeit. Ein Markenzeichen, das sich durch all seine Werke zieht. Sein Künstlername spielt mit Klischees über Migranten aus dem Balkan und dem romantisierten Bild vom Gebrauchtwagenhändler in Bulgarien. Und ganz abwegig ist das nicht: Stoyanovs Liebe zu Autos entflammte schon früh – beim stundenlangen Warten an der Tankstelle, an der seine Eltern arbeiteten. Sogar eine kurze Episode als Autohändler hat er hinter sich, als er einem Freund half, Oldtimer durch Europa zu verschiffen. Allerdings hat er offen zugegeben, dass er als Autohändler keinen einzigen Tag mehr überleben würde – zum Glück fand er seinen Erfolg als Blue Collar Sänger mit autobiografischem, unterschwelligem, bulgarischem Blues mit Gespür für Pop. Seine herzerwärmenden und manchmal naiven Porträts des Lebens, kombiniert mit nostalgischen Postkartenmomenten, fordern die Zuhörer dazu auf, ihre Stereotype gegenüber osteuropäischer Kultur zu hinterfragen.
Als Bulgarian Cartrader erzählt Stoyanov in seiner Musik von seinen Kämpfen, Träumen und alltäglichen Sorgen. Auf Soulgaria, einem in Folklore, R&B und westlichem Indie verwurzelten Album, zeigt sich die erzählerische Vielseitigkeit. Nichts steht mehr dafür als die Single „Telecaster Warrior“ – eine wehmütige R&B-Blues-Geschichte, die tief in das Thema vergessene Nostalgie eintaucht. „From the 80’s, still nostalgia / Lenny Kravitz, it ain’t over till it’s over / Set and forget till the breaks don’t stop / Like a one-armed bandit when three cherries line up”.
Solche gefühlvollen Fantasie-Erzählungen ziehen sich durch das ganze Album. An anderer Stelle bestreitet Stoyanov persönliche Kämpfe: Depression bei „20 Thousand Miles„, Trauma in „Palace Gates“ und in „Watermelon Runaway“ geht es um junge Liebe. In „Birds“ reflektiert er über eine Begegnung mit einem Mann in Bulgarien, der Tauben hielt – und über die Ungleichheiten des Lebens im Allgemeinen. Beim Schreiben seines neuen Albums blickte Stoyanov auf seine Vergangenheit und kulturelle Herkunft zurück, unterstützt von einer hundertjährigen Gitarre, billigen Synthesizern und seiner Liebe zum klassischen R&B.
Alltägliche Kleinigkeiten, wie das Fehlen von Zahnstochern bereitet Stoyanov lyrisch auf bezieht es auf eine tiefere emotionale Ebene. Was für andere nicht einmal einen kurzen Gedanken wert wäre, bietet für Bulgarian Cartrader den Titel der Single „Toothpicks„. Neben den satten Bässen, die dem Sound die nötige Tiefe geben, wird aber auch klar, dass Stoyanov eine gewissen Ironie in seiner Erzählung sieht. Die fröhlich klingende Ukulele unterstreicht diese “Uh Shit!”-Momente: Falschen Weg genommen, Schlüssel vergessen oder eben keine Zahnstocher mehr. Kleinigkeiten, die man eigentlich hinbekommen sollte, es aber dann doch irgendwie nicht schafft. Dahinter steckt das Gefühl sich selbst zu sabotieren und zu versuchen da raus zu kommen.
Das neue Album ist eine natürliche Weiterentwicklung seines autobiografischen Debüts Motor Songs – komplett selbst produziert, geschrieben und eingespielt. In der Promo-Zeit war Stoyanov oft ganz in seiner Cartrader-Rolle zu sehen: Rennfahrerjacke, falscher Pelzhut – ein wandelndes Klischee. Auch wenn einige dieser Stilmittel inzwischen verschwunden sind – der Lammfellmantel und das Handy, das seit drei Jahren nicht mehr klingelte, eingeschlossen – die Liebe zu Autos bleibt. Die Single „Golden Rope“ aus Motor Songs war ein Top-40-Hit, lief auf vielen Playlists und wurde über 10 Millionen Mal auf Spotify gestreamt. Damit tourte Stoyanov quer durch Europa und die USA – spielte auf Festivals wie Eurosonic, Europavox, LA Schoolnight, im Vorprogramm von The Streets, und füllte Sold Out Clubs in Sofia, Hamburg, Berlin und Paris. So erfüllte er sich seinen Traum: nicht nur in Deutschland und Bulgarien erfolgreich zu sein, sondern in ganz Europa.
Wer bisher noch nichts von Bulgarian Cartrader gehört hat, kennt vielleicht dennoch seine Musik. Als ehemaliges Mitglied der Popgruppe Malky finden sich Stoyanovs Songwriting-Credits bei Acts wie Peter Fox, SEEED, Casper oder Solomun. Seine Erfolge in so kurzer Zeit sind beachtlich. Im Jahr 2023 gewann er einen der renommierten Music Moves Europe Awards – eine Auszeichnung, die auch schon Künstler:innen wie Adele oder Dua Lipa erhalten haben. Ebenfalls 2023 wurde er für die VUT Indie Awards nominiert und erzielte diverse Charterfolge – alles nach nur einem Album. Ein Künstler in Bestform.
Stoyanov – genau wie Springsteen – war immer ein Außenseiter mit einer Vorliebe für schrulliges Storytelling und dem Wunsch, zu unterhalten. Wer ihn live erlebt, sieht ihn oft tanzend, Hüften schwingend, Geschichten erzählend – stets bemüht, das Publikum zum Mitsingen und Mitfeiern zu bringen. Auch wenn keine E-Street Band auf der Bühne steht – seine Live-Band gleicht das mit Leidenschaft aus.
Soulgaria ist eine andere Welt. Ein Land für Träumer, verkörpert durch Stoyanovs Liebe zu seiner Heimat – voller dramatischer Landschaften, Hoffnung und Sehnsucht. Es ist ein konstruierter Ort, wie Stankonia es für Outkast war oder Nebraska für Springsteen. Soulgaria ist nicht nur ein Albumtitel – es ist eine Einladung in eine andere Welt. Warum also nicht eine Spritztour wagen?
Credit: Zlatimir Arakliev